Die Gedankenanstöße sollten anregen, sich dieses „ABC des Menschenbenehmens“ (Thomas Mann) anzueignen, es in die eigene Lebenspraxis hineinzunehmen. Die 10 Gebote — und alles, was sich aus ihnen an guten Lebensregeln ergibt — lassen sich auf einen ganz einfachen Nenner bringen:
„Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg‘ auch keinem andern zu.“
So erzählt der Talmud, dass eines Tage ein Nichtjude zum Rabbi Schammai kam und sagte: Ich möchte gerne die Thora lernen, aber ich habe wenig Zeit. Kannst Du mir die Gebote beibringen in der Zeit, in der ich auf einem Fuß stehen kann?! Rabbi Schammai, dem das ganze Menschenleben zu kurz vorkam, um darin Gottes Gebot zu lernen und zu verstehen, ging erbost mit einer Schneiderelle, die er gerade zur Hand hatte, auf den Mann los und vertrieb den Unverschämten. Der ging darauf zum Rabbi Hillel und sagte: Ich möchte gerne die Thora lernen, aber ich habe wenig Zeit. Kannst Du mir die Gebote beibringen in der Zeit, in der ich auf einem Fuß stehen kann?! Worauf dieser antwortete:
„Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Thora, und alles andere ist nur die Erläuterung; geh und lerne sie.“
— Babylonischer Talmut Schabbat 31a
Diese ‚Goldene Regel‘ findet sich in jeder der großen Weltreligionen. Das ist unser gemeinsames Menschheitserbe. An dieser „Vermeidungsethik“ kann man sich gut orientieren. Aber besonders kreativ ist sie nicht. Kreativ wird sie in der Fassung, die Jesus dieser Goldenen Regel gibt, indem er sie positiv formuliert:
„Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“
— Matthäusevangelium 7,12
Da wird doch Phantasie frei, oder?!